Wie Mister Spex Konkurrenten zu Partnern machte – und damit den Markt eroberte
Mister Spex ist Europas führender Online-Optikern und bietet die umfassendste Auswahl an direkt verfügbaren Designerbrillen und Sonnenbrillen. Ihr Liefergebiet umfasst 11 verschiedene Länder mit Niederlassungen in Deutschland, Schweden und Norwegen. Der Launch ihres Online-Shops war gut durchdacht, brachte die Gründer jedoch auch in Spannungssituationen, die das gesamte Projekt hätten scheitern lassen können.
Mitgründer und CEO Dirk Graber nahm sich Zeit, um uns genau zu sagen, wie Mister Spex den verfrühten Kollaps vermeiden konnte als die Finanzkrise mit Wucht einschlug.
Wie fing Mister Spex an?
Am Ende des Jahres 2007 wussten meine Partner Björn Sykora, Thilo Hardt, Philipp Fränkel und ich nur eins: wir werden in den E-Commerce einsteigen. Wir wussten allerdings noch gar nicht, mit welchem Produkt – zumindest nicht bis wir den Markt und Wachstumspotentiale diverser Branchen analysierten.
Wir haben uns für Brillen entschieden, aufgrund der riesigen Zielgruppe und der hohen Margen. Allerdings hatte niemand aus unserem Team Erfahrung in diesem Bereich. Ich hatte zwar schon vorher in diversen E-Commerce-Firmen gearbeitet - was mich inspirierte, eine eigene zu gründen - aber Mister Spex war für uns alle Neuland. 2007 gründeten wir das Unternehmen und 2008 ging der Shop online.
Die IT-Jungs konzentrierten sich damals voll aufs Programmieren, Björn und ich übernahmen verschiedenste Aufgaben. Wir schrieben Businesspläne, sprachen mit Investoren und Einzelhändlern, packten die ersten Pakete und trieben frühe Marketingmaßnahmen an. Im ersten Jahr arbeiteten wir mit einigen Business-Angels zusammen; Ende 2008 brauchten wir aber Investoren, um mit Mister Spex den nächsten Schritt gehen zu können. Genau dann kam die Finanzkrise…
Hat das eure Pläne bedroht?
Lehman Brothers meldete im September 2008 Insolvenz an – gerade als wir nach Unterstützung suchten, um unser Projekt durch die Decke gehen zu lassen. Stattdessen war es dann schwer, überhaupt Investoren zu finden. Wir hatten ja schon einige Angestellte und fürchteten, dass es das gewesen sein könnte mit Mister Spex.
Um die Weihnachtszeit herum kam endlich die erlösende Zusage eines Investors, uns in den darauffolgenden Jahren zu unterstützen. Angesichts der Umstände war dies eine ziemlich emotionale Kehrtwende – und das beste Weihnachtsgeschenk, was ich mir hätte wünschen können.
Brillen sind Modeartikel, allerdings spielen auch medizinische Aspekte eine entscheidende Rolle. Wie schafft ihr es, beides zu kombinieren?
Unsere Zusammenarbeit mit lokalen Optikern hat das möglich gemacht. Durch sie konnten wir unseren Kunden zusätzlichen Service anbieten, wie Sehtests, Brillen- und Kontaktlinsenanproben. All diese Dinge können nur persönlich erledigt werden.
Wir bauen unser Netzwerk von lokalen Partnern laufend aus, um jedem Kunden diesen persönlichen Service möglichst nah am Wohnort bieten zu können. Das ist unser Ziel. Aktuell haben wir Partnerschaften mit insgesamt 550 Optikern in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Die lokalen Optiker könnte man auch als Konkurrenten ansehen. Wie habt ihr sie von einer Partnerschaft überzeugt?
Als USP wollten wir schon früh das beste Gesamtpaket haben: gute Preise, eine große Produktpalette und persönlichen Service. Das bedeutete, dass wir sowohl die Investoren als auch die lokalen Optiker gleichzeitig überzeugen mussten. Eine ziemlich knifflige Angelegenheit.
Jeder bei Mister Spex stand hinter der Idee der Partnerschaften. Zuerst nahmen wir unsere Investoren ins Visier und überzeugten sie mit unserem starken Team, frühen Wachstum, attraktiven Markt und ehrgeizigen Plänen.
Bereits vom ersten Tag an habe ich an den Erfolg von Mister Spex geglaubt – natürlich auch wegen unserer vorherigen Kalkulationen. Zwar wussten wir, dass wir da eine tolle Idee haben, aber bis zur ersten Unterstützung eines Investors konnten wir nicht sicher sein, dass Mister Spex ein funktionierendes Modell wird.
Wann hast Du realisiert, dass das alles funktioniert?
Bereits vom ersten Tag an habe ich an den Erfolg von Mister Spex geglaubt – natürlich auch wegen unserer Kalkulationen. Wir wussten zwar, dass wir da eine tolle Idee haben, aber bis zum ersten Einstieg eines Investors konnten wir nicht sicher sein, dass Mister Spex ein funktionierendes Modell wird.
Die ersten Finanzierungsrunde war extrem wichtig, ohne sie hätte unsere Idee nach einem Jahr auch wieder in Vergessenheit geraten können. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon erste Verträge mit Partnern, hatten erste Kunden und Angestellte. Wir hatten also eine hohe Verantwortung. Es hätte sehr wehgetan, all diese Leute hängen zu lassen.
Wie sorgt ihr dafür, dass alle Mitarbeiter eurem Unternehmensgeist folgen?
Wir haben bestimmte Grundwerte für unsere Firma entwickelt. Uns war es wichtig, dass wir diese festhalten und dann offen kommunizieren. Ein respektvoller Umgang untereinander ist etwa einer dieser Grundwerte. Aber auch, dass man zwar kundenorientiert arbeiten, aber dabei flexibel bleiben sollte.
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Mehr erfahrenDurch kurze Entscheidungsprozesse und eine flache Hierarchie sorgen wir für eine moderne Unternehmenskultur. Wir geben unseren Angestellten die Freiheit und Verantwortung, eigene Ideen einzubringen und diese auch umzusetzen. Fehler sind für uns in Ordnung. Als Führungsperson muss ich meine Mitarbeiter einerseits fordern und andererseits unterstützen, um zu sehen ob sie Hilfe oder Ermutigung benötigen. Unsere Firma auf das nächste Level zu heben, ist ein kollektives Ziel unseren Teams.
Inwiefern hilft all das auch, um die richtigen Leute anzuziehen?
Wir suchen ausschließlich nach Menschen mit Ideen und Leidenschaft, die auch fest an die Idee hinter Mister Spex glauben. Für solche Menschen sind wir der richtige Ort, da es bei uns nicht nur darum geht, jemanden mit dem besten Abschluss oder dem längsten Auslandsaufenthalt zu finden.
Schon 2009 habt ihr euren ersten Fernsehspot ausgestrahlt. Was war damals eure Marketingstrategie?
Um gleich in den ersten zwei Jahren ein möglichst viel Aufmerksamkeit zu bekommen, haben wir sehr früh mit den Spots angefangen. Das hat auch gut funktioniert, aber überhaupt testen wir ständig verschiedene Kampagnen auf diversen Marketingkanälen, um zu sehen, was wo am besten funktioniert.
Mittlerweile spielt Expansion eine große Rolle für unser Wachstum, das fast ausschließlich organisch ist. Wir eröffnen nur in den Ländern neue Shops, die attraktiv für uns sind und Potential aufweisen. Ab und zu, wenn es Sinn macht, kaufen wir auch andere Unternehmen. Das kommt jedoch äußerst selten vor.
Inwiefern hat sich Ihr Unternehmen seit 2007 verändert?
2009 zogen wir innerhalb Berlins mit unserem Büro um. Wir brauchten mehr Platz, um unsere Logistik, die Lagermöglichkeiten und die Werkstatt zu erweitern. Andere offensichtliche Veränderungen sind die Anzahl der Mitarbeiter (mittlerweile über 300) und unsere Einnahmen (65 Millionen Euro im Jahr 2014). Beides ist von Jahr zu Jahr gestiegen.
Als schnell wachsendes Unternehmen stellen wir uns täglich der Herausforderung, neue Strukturen zu formen. Das ist unvermeidlich, wenn man den Schritt vom Start-up zum mittelständischen Unternehmen machen möchte ohne das dabei Kreativität und Flexibilität auf der Strecke bleibt.
Ist das ein häufiger Fehler von E-Commerce-Unternehmen, im Ursprungsaufbau stecken zu bleiben?
Ja, ich denke, dass ihr größter Fehler die Betriebsblindheit ist. Es ist problematisch, das eigene Produkt nicht regelmäßig infrage zu stellen und kein Feedback von Kunden oder Konkurrenten einzuholen. Es lohnt sich immer, neue Ideen und etablierte Konzepte zu hinterfragen.
Könntest du zum Abschluss drei Ratschläge für Unternehmer mit uns teilen?
- Nutzt jede Gelegenheit, anderen von eurer Idee zu erzählen und Feedback einzusammeln.
- Formt ein starkes, motiviertes und vielseitiges Team.
- Lasst euch nicht von großes Zielen und harten Herausforderungen abschrecken.