Virtuelle Messe: Das Handbuch für ein erfolgreiches Event
Die Digitalisierung hält auch in Bereiche Einzug, die lange undenkbar waren. Virtuelle Messen bieten viele Vorteile für Veranstalter, Teilnehmer und Unternehmen. Doch bei der Umsetzung von Events in die Online-Welt bleiben noch einige Fragen offen.
Für Unternehmen sind Messen wichtig, aber sie werden sich verändern. Das meint auch Frederic Bleck, Head of New Business bei der Eventagentur PIRATEx aus Köln: “Wir befinden uns an der Schwelle ganz neuer Potenziale der Messelandschaft. Die Herausforderung liegt darin, keine 1:1-Übertragung in die Digitalwelt vorzunehmen, sondern neue Konzepte zu entwickeln.”
Denn virtuelle Messen bringen viele Vorteile mit sich:
- Skalierbar und direkt. Der Hauptvorteil einer virtuellen Messe: sie ist von überall aus zugänglich. In Zeiten von gesetzlichen Beschränkungen und Reisebestimmungen, wie während der Covid-19-Pandemie, kann sie auch unabhängig davon ausgeführt werden. Indem Sie Ihre Veranstaltung digital abbilden, ersparen Sie Teilnehmern Kosten für die Anfahrt oder die Übernachtung im Hotel. Sie erzielen damit automatisch eine größere Reichweite an Interessenten und machen Ihr Event so für Leads auf der ganzen Welt attraktiv.
- Kostengünstig. Bei einer virtuellen Messe sparen neben Besuchern auch die Veranstalter und Aussteller Ihre Ausgaben. Es fallen keine Kosten für die Miete des Messegeländes, der Räumlichkeiten, für Catering und Security ect. an. Aussteller benötigen weder ein Inventar für einen Messestand, noch Materialien wie Flyer und Plakate.
- Einfacher Zugang für Speaker. Vom digitalen Format profitieren neben Messeveranstalter und Teilnehmern auch Speaker. Sie können ihre Vorträge bequem via Webcam halten, was nicht nur Zeit und Geld spart, sondern auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen wird, dass die gewünschten Speaker an Ihrer Messe teilnehmen.
Allerdings gibt es neben den Vorteilen bei einer virtuellen Messe auch einige Herausforderungen:
- Nahbarkeit schaffen. Wichtiger als ein gutes Setting und wertvoller Content ist bei einer virtuellen Messe, das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erzeugen. Messen “leben” vom persönlichen Kontakt, aber genau dieser fehlt in der Online-Welt. Das ist eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung von virtuellen Veranstaltungen.
- Finanzieller Nutzen. Verbraucher haben sich daran gewöhnt, dass Online-Inhalte kostenlos verfügbar sind. Das macht es schwierig, mit einem virtuellen Event Geld zu verdienen.
- Teilnehmer gewinnen. Der Besuch einer Online-Messe ist unverbindlicher als der einer realen Messe. Die Wahrscheinlichkeit die Veranstaltung zu verpassen oder sich kurzfristig dagegen zu entscheiden ist weitaus größer als bei einem physischen Event.
- Aufmerksamkeit und Interesse aufrechterhalten. Bei einer realen Messe ist es eher unwahrscheinlich, dass Besucher während des Events wortlos verschwinden. Durch gemeinsames Essen oder Gespräche zwischen den Vorträgen ist es bei physischen Veranstaltungen weitaus einfacher, das Interesse der Teilnehmer hoch zu halten.
- Tickets für Besucher. Heutzutage ist es schwierig, Menschen zu überzeugen für Online-Content zu bezahlen, da er meist kostenlos zur Verfügung steht. Damit Ihnen das gelingt, benötigen Sie einzigartigen und wertvollen Content. Indem Sie diesen nur an der Veranstaltung anbieten, schaffen Sie dank des Knappheitsprinzip einen Anreiz für Ihre Besucher. Das erhöht die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher und die Wahrscheinlichkeit, dass auch in Zukunft für virtuelle Events bezahlt wird.
- Standgebühr für Aussteller. Um eine Gebühr von Ausstellern zu verlangen, müssen Sie Ihnen gleichzeitig ein großes und interessantes Publikum versichern.
- Speaker. Hier kommt es natürlich auf die Bekanntheit des Speakers an. Einen prominenter Speaker werden Sie bezahlen müssen. Von weniger bekannten Speakern, denen Sie dadurch eine Plattform und ein Publikum bieten, können Sie hingegen eine geringe Summe erwarten. Ein “Nachteil” ist, dass Präsentationen hier häufig dazu neigen, kommerziell zu wirken.
- Sponsoren. Indem Sie Sponsoren für Ihre virtuelle Messe gewinnen, vergrößern Sie automatisch Ihre Reichweite und steigern Ihre Bekanntheit. Dazu eignen sich besonders Sponsoren im eigenen Industriesektor, die Ihnen auch bei der Programm- und Contenterstellung helfen. Außerdem können Sie Ihren Sponsoren “Logo Branding” in Form von Werbung in Live-Streams Ihrer virtuellen Messe anbieten.
Das Wir-Gefühl online zu bringen ist die schwierigste Aufgabe. Ein Event lebt vom direkten Kontakt zwischen Menschen. Dies kann online nur sehr schwer nachgestellt werden.
Fabian Rossbacher, CEO von SEO-Day
Ist das Event digital, fehlt diese Gruppendynamik und somit auch die Interaktion und soziale Komponente. Teilnehmer werden sich eher ablenken lassen oder sich mit nur einem einfachen Klick ganz ausloggen.
Offline- und Online-Messen sind grundsätzlich nicht zu vergleichen. Die Aufmerksamkeitsspanne ist digital deutlich geringer. Während man bei Offline-Events zwischen den Gesprächen in die Cafeteria oder in die Lobby geht, verweilen Nutzer lediglich 15 - 20 Minuten auf dem digitalen Event. Dementsprechend muss der Content kompakt und an den richtigen Stellen präsentiert werden.
Tim Gremlitza, Customer Success Manager bei talentsconnect
Damit Sie Ihre virtuelle Messe erfolgreich umsetzen können, haben wir diverse Veranstalter virtueller Messen befragt und Ihnen eine Liste der 9 besten Tipps und Tools zusammengestellt.
1
Wortmeldungen während Präsentationen und Vorträgen ermöglichen
Da Vorträge über einen Bildschirm verfolgt werden, kann es schnell passieren, dass Zuhörer das Gefühl bekommen, sie säßen in einem Film.
Genau das macht Interaktionen so wichtig, da sie einen Vortrag lebendig halten. Wortmeldungen können Präsentation in verschiedene Richtungen lenken und geben den Besuchern gleichzeitig das Gefühl “aktiv teilzunehmen”.
Schaffen Sie daher währenddessen bewusste Pausen, um den Teilnehmern Zeit für allgemeine Fragen oder Einwürfe einzuräumen.
2
Einen Moderator einsetzen
Ein Moderator hilft Ihnen, die Kommunikation mit Ihren Teilnehmern voranzutreiben und ist eine gute Unterstützung bei Präsentationen und Vorträgen Ihrer Speaker. Via Chat kann er während eines Vortrags das Gesagte kommentieren, Fragen stellen und Zuhörer animieren, sich an einer gemeinsamen Diskussion zu beteiligen.
Sich nur unbelebten Content wie PDFs und Ausstellerstände anzusehen, reicht ZuschauerInnen nicht aus und bindet nur für kurze Zeit an den Bildschirm. Die Lösung: Live-Inhalte, 1:1-Gespräche, Webinare und spielerische Aktionen wie zum Beispiel eine Messe-Rallye schaffen darüber hinaus Erlebnisfaktoren und laden die BesucherInnen ein, sich selbst zu beteiligen.
Saskia Bruder, Projektleiterin bei STR8
3
Mit Live-Chat direkte Kommunikation ermöglichen
Mit Live-Chat gestalten Sie Ihre virtuelle Messe interaktiver und erlauben Besuchern, sich mit dem jeweiligen Messestand auszutauschen.
Das Softwareunternehmen talentsconnect erstellte für seine virtuelle Messe Sofastart für jeden Aussteller eine eigene Landing-Page mit einem Userlike Chat-Widget, mit dem der jeweilige Ansprechpartner verknüpft war.
Wenn wie bei talentsconnect pro Stand jeweils ein eigener Live-Chat genutzt wird, können Sie auch über sensible Themen wie Recruiting vertrauliche und persönliche Gespräche mit Besuchern führen. So muss keiner befürchten, von einem weiteren Interessenten unterbrochen zu werden.
Durch eine Unterhaltung per Chat erschaffen Sie bei Ihrem Gesprächspartner außerdem ein Gefühl der Nahbarkeit und erhalten eine direkte Reaktion Ihres Gegenübers. Diese ersetzt die visuelle Rückmeldung einer persönlichen Interaktion.
4
Einen virtuellen Info-Point schaffen
Anfangs müssen sich Ihre Besucher, wie auch bei einer realen Veranstaltung, erst einmal zurechtfinden. Den Stand eines bestimmten Ausstellers oder den richtigen Ansprechpartner zu finden, kann schwierig sein.
Daher ist es wichtig, Ihren Besucher auch bei einer Online-Messe einen Service-Point zur Verfügung stellen. Mit einem virtuellen Info-Point bieten Sie eine erste Anlaufstelle, um alle Fragen rund um die Messe zu stellen und versichern, dass Aussteller und Besucher sich bei Problemen an Sie wenden können.
5
Networking anbieten
Kontakte knüpfen ist einer der zentralen Vorteile von Offline-Messen. Doch auch ohne physischen Kontakt gibt es einige Möglichkeiten, Networking in Ihrer virtuellen Veranstaltung umzusetzen.
Bieten Sie Ihren Besuchern beispielsweise Networking-Areas zu spezifischen Themen an. Dabei können Sie den Teilnehmern die Wahl selbst überlassen oder aber Sie filtern sie anhand Ihrer Liste nach gemeinsamen Interessen und Veranstaltungszielen.
Ein großer Vorteil bei virtuellen Messen liegt darin, die richtigen Personen zusammenzubringen. Umsetzen lässt sich dies durch algorithmisch gesteuerte Matchmaking-Tools, wie beispielsweise Talque. Diese sind in der Lage, gezielt Personen anhand ihrer Interessengebiete zusammenzubringen - genauso wie zufällige Begegnungen zu schaffen.
Frederic Bleck, Head of New Business bei PIRATEx
Auch das Angebot von Workshops oder Diskussionsräumen, bei denen sich eine feste Zahl an Besuchern mit dem Speaker über das Vortragsthema unterhält, sind gute Alternativen für erfolgreiches Netzwerken.
6
Die Technik testen
Es ist wichtig, Ihre Technik im Vorfeld mehrmals zu testen, um Fehler frühzeitig zu erkennen und sicherzugehen, dass sie stabil und sicher läuft. Am Veranstaltungstag wird es aufgrund der Teilnehmerzahl eine höhere Auslastung und somit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit an Problemen geben.
Daher bietet es sich an, sich für eine virtuelle Messe an Dienstleister wie die interaktive Plattform Expo-IP , ray.seven von STR8 oder die Eventagentur PIRATEx zu wenden, die sich auf die Umsetzung hybrider und virtueller Events spezialisiert haben.
7
Umfragen durchführen
Bei physischen Events erhalten Messeveranstalter durch visuelle Rückmeldung, Interaktionen und das Besucherverhalten (z.B. langen Warteschlangen) ein direktes Feedback über den Erfolg Ihres Events. Online bekommen Sie diese Informationen nur in Form von Zahlen in Analyse-Tools und Tracking, aber keiner genauen Rückmeldung. Daher ist es besonders hilfreich, Feedbackmöglichkeiten für Teilnehmer einzubringen.
Hierfür eignet sich Ihre Website besonders gut. Sie ermöglicht Ihnen, Ihre Besucher direkt zum Grund des Besuchs, der Auswahl eines bestimmten Vortrags und ihrer Stimmung zu befragen. Unterstützen kann Sie dabei SurveyMonkey , eine beliebte Umfragesoftware mit hilfreichen Tools.
Diese Echtzeit-Bewertung des Events ist besonders für Präsentationen und auch für die jeweiligen Networking-Areas hilfreich. Es ermöglicht Ihnen, ohne lange Auswertungen Bedürfnisse ihrer Teilnehmer zu erkennen.
Eine Auswertung der Veranstaltung ist nötig, um zu erkennen, was zukünftig erneut oder besser umgesetzt werden kann. Dabei unterstützen Sie E-Mail-Umfragen, die Sie nach dem Event verschicken können. Aber auch durch Chatverläufe mit Besuchern, Click-Zahlen und der allgemeinen Besuchsdauer erhalten Sie Aufschluss über die Interessen der Teilnehmer, sowie eine allgemeine Bewertung der Messe und Verbesserungsvorschläge. Diese wertvollen Informationen können Sie dann für die Planung Ihrer nächsten Veranstaltungen nutzen.
8
Die optimale Monetarisierungsstrategie finden
Planung, Konzept, Technik und Content kosten Geld, auch für ein Online-Event. Scheuen Sie sich daher nicht davor, Gebühren zu verlangen. Das ist mittlerweile laut Maximilian Pohl, Gründer der Eventnet GmbH , auch “keine Hürde mehr in der User-Experience” .
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um einen finanziellen Nutzen aus einer virtuellen Messe zu ziehen:
Hier bietet es sich besonders an, mit einer Kostenpauschale zu arbeiten, so wie sie auch der Dienstleister Expo-IP anbietet. Diese beinhaltet ein individuelles Besuchermarketing und bei Bedarf einen Speaker-Slot.
Dennoch ist es nicht einfach, die richtige Strategie zu finden, da Sie bei der Kostendeckung allein durch Besucher möglicherweise mit weniger Besucher rechnen müssen und es dadurch weniger Anreiz für Aussteller und Sponsoren geben könnte. Gestalten Sie die Messe für Besucher kostenfrei, ist die Wahrscheinlichkeit einer höheren Besucherzahl größer und auch die Bereitschaft von Ausstellern und Sponsoren, für einen Stand und Werbung zu bezahlen.
Eine gute Lösung ist, Besucher einen “Unkostenbeitrag” von beispielsweise 5 Euro bezahlen zu lassen. Damit zeigen Sie, dass Sie Mehrwert bieten und verlangen gleichzeitig einen fairen Preis. Die restlichen Kosten könnten dann durch Aussteller und Sponsoren gedeckt werden.
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Ausgewählten Content nach der Veranstaltung anbieten
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie Inhalte nach Ihrer virtuellen Messe zur Verfügung stellen. Bieten Sie Vorträge und Präsentationen direkt nach der Veranstaltung kostenlos für Ihre Interessenten an, generieren Sie wertvolle Leads und erreichen auch jene, die Ihre Veranstaltung verpasst haben. Allerdings mindert es den Druck, am tatsächlichen Event anwesend zu sein.
Wir empfehlen Ihnen, nur ausgewählten Inhalt und diesen mit einer gewissen “Verzögerung” bereitzustellen. Seien Sie selektiv und teilen Sie zum Beispiel nur Inhalte und Vorträge weniger bekannter Speaker, nicht aber den Premium-Content der Hauptspeaker. Dieser sollte ausschließlich am Tag der Veranstaltung angeboten werden. Auch Saskia Bruder, Projektleiterin bei STR8, rät bezüglich Content, auf diese beiden Kriterien zu setzen: “Live und exklusiv. Das schafft einen Anreiz jetzt dabei zu sein und erhöht den möglichen Austausch unter den TeilnehmerInnen.”
Virtuelle Messen werden immer beliebter
Virtuelle Messen bieten Veranstaltern und Besuchern viele Vorteile. Vor allem, weil sie von überall aus zugänglich sind und eine hohe Kostenersparnis versprechen, werden sie für Unternehmen immer attraktiver.
Den direkten Kontakt aus den physischen Messen auch online herzustellen, ist eine der größten Herausforderungen, mit den richtigen Tools aber kein Hindernis. Nutzen Sie unsere Tipps, um auch diese zu meistern und Ihre virtuelle Messe erfolgreich zu veranstalten.